Biodiversität & DNA-Barcoding
Was ist DNA-Barcoding? Warum ist es wichtig? Wie werden Daten generiert?
Was ist DNA-Barcoding? Warum ist es wichtig? Wie werden Daten generiert?
Die besondere Faszination, die von Biodiversität ausgeht, liegt im Facettenreichtum der beobachtbaren Vielfalt begründet. Vielfältige Lebensräume bieten die Grundlage für eine reiche Artenvielfalt. Auch innerhalb von Arten gibt es oft eine erstaunlich hohe morphologische sowie auch genetische Variation. Biodiversität bedeutet aber auch Reichtum an biologischen Ressourcen. Denn jeder Organismus interagiert in vielfältiger Weise im Ökosystem, produziert, konsumiert, konkurriert und wirkt regulierend, stabilisierend, manipulierend und birgt auch potentiellen Nutzen für uns Menschen. Die Erhaltung der Biodiversität hat demnach neben der gewichtigen ideellen Bedeutung auch materielle Beweggründe.
Welche Arten kommen in einem Lebensraum vor, welcher Schädling hat die Bäume befallen, welches Fleisch esse ich, und welche Kräuter befinden sich in meinem Tee? Wie ist es um die Wasserqualität eines Flusses oder Sees bestellt? Für zahlreiche Fragestellungen ist eine genaue Art-Bestimmung unabdingbar. Das betrifft den Naturschutz ebenso wie die Qualitätskontrolle in der Lebensmittelproduktion, Schädlingsbekämpfung sowie pharmazeutische oder forensische Anwendungen, um nur einige Beispiele aus der Praxis zu nennen. Generell ist biologische Forschung, insbesondere Biodiversitätsforschung, auf exakte Artbestimmungen angewiesen.
Die spannende Herausforderung, biologische Vielfalt in ihrer Gesamtheit zu verstehen, zu nutzen und zu schützen, bedarf unterschiedlicher Herangehensweisen. Ein wichtiges modernes Instrument für die Unterscheidung von Arten und die Beschreibung genetischer Diversität ist das DNA-Barcoding. Die Verknüpfung genetischer Daten mit anderen Erkenntnissen und Aspekten eröffnet eine große Bandbreite von Anwendungs- und Forschungsfeldern.
Österreich ist aufgrund seiner besonderen geografischen Lage und Landschaftsstruktur ein Hotspot der biologischen Vielfalt. Viele Faktoren sind dafür verantwortlich:
(i) Österreich besitzt eine vielfältige Struktur – die Alpinen Hochgebirge kontrastieren mit entlegenen Alpentälern – Mittelgebirgslandschaften und Hügelländer gehen über ins pannonische Tiefland.
(ii) Österreich liegt im Übergangsbereich vom kühl-feuchten atlantischen zum trocken-warmen kontinentalen Klima, mit punktuellen submediterranen Einflüssen in den Südalpen.
(iii) Österreich hat auch erdgeschichtlich vieles zu bieten, ist doch unser Land durch seine geographische Lage besonders interessant. Die alpine Vergletscherung während der letzten Eiszeiten und die eisfreien Gebiete am Ostrand haben zu einer ganz speziellen Verbreitungsgeschichte vieler heimischer Organismen geführt. Rückzug und Wiederbesiedelungen, aber auch Reliktareale sind Zeugen dieser erdgeschichtlichen Perioden.
All diese Faktoren trugen zur gegenwärtigen hohen Biodiversität bei, für deren Verständnis unser Wissen allerdings noch viel zu lückenhaft ist. Diese Vielfalt in ihrer Gesamtheit zu erfassen, ist mehr denn je ein Gebot der Zeit.
DNA-Barcoding ist ein standardisiertes Verfahren zur Bestimmung von Organismen anhand eines bestimmten Abschnittes aus dem Erbgut (DNA). Dazu werden Sequenzabschnitte bestimmter Gene verwendet, anhand derer sich Arten unterscheiden lassen. Die entsprechenden DNA-Sequenzen (DNA-Barcodes) erlauben daher eine eindeutige Artzuordnung. Zuerst werden DNA-Barcodes von zuverlässig bestimmten Organismen ermittelt und in einer Referenzdatenbank gespeichert. Diese DNA-Barcodes stehen dann für Vergleiche zur Verfügung. Zur Bestimmung einer unbekannten Probe muss daraus der entsprechende DNA-Abschnitt sequenziert und mit den Sequenzen in der Referenzdatenbank verglichen werden. Auf diese Weise ist die Artbestimmung mittels DNA-Barcoding schnell und sicher möglich. Der Bestimmungserfolg hängt jedoch von der Qualität und von der Vollständigkeit der Referenzdatenbank ab.
Der Arbeitsfluss beginnt mit Sammeln von Organismen bzw. der Auswahl von geeignetem Material in wissenschaftlichen Sammlungen. Aus Gewebeproben dieser von Experten taxonomisch bestimmten Organismen wird die DNA isoliert und mittels PCR (Polymerase-Kettenreaktion) der für das DNA-Barcoding ausgewählte Genabschnitt (für die meisten Organismengruppen das mitochondriale COI-Gen) im Reagenzgefäß vervielfältigt. Die auf diese Weise ermittelten DNA-Sequenzen werden in einer frei zugänglichen Datenbank zur Verfügung gestellt. Die Referenzexemplare verbleiben in einer öffentlichen wissenschaftlichen Sammlung und stehen für zukünftige Analysen zur Verfügung.
Viele Organismen können selbst von Experten nur in ausgewachsenem Zustand sicher bestimmt werden. Oft ist dies sogar nur für ein Geschlecht möglich. Mittels DNA-Barcoding sind auch Unterscheidungen schwer bestimmbarer Arten sowie die Zuordnung von Eiern, Larven und Geweberesten oder auch nur Spuren von Organismen (z.B. Blutspuren) möglich. Die Methode ist eine innovative Ergänzung zur klassischen biologischen Taxonomie, weil sie Artbestimmungen für zahlreiche Anwendungen ermöglicht. Die Einsatzbereiche sind vielfältig, z.B. in Forschung, Naturschutz und Wirtschaft.
Die Fülle an Informationen zur biologischen Vielfalt kann zukünftig in unterschiedlicher Weise genutzt werden.
Eine wichtige Grundlage für die Erforschung und erfolgreiche Bewahrung der Biodiversität ist die sichere Bestimmung der Arten und die Kenntnis ihrer genetischen Diversität. Mit der Errichtung einer „DNA-Barcoding-Datenbank“ wird dafür eine solide Basis geschaffen. Darüber hinaus wird auch die Evolutionsforschung befruchtet, indem der Vergleich der Daten verborgene Vielfalt und Artbildungsprozesse aufdeckt. So sind zahlreiche Entdeckungen bislang unerkannter Arten zu erwarten. Durch leistbare und präzise Analysemöglichkeiten können außerdem ökologische Zusammenhänge wie etwa Nahrungsnetze und Blüten-Bestäuber-Interaktionen besser verstanden werden. Bei evolutionsbiologisch sehr jungen Arten oder bei Arten mit außergewöhnlicher Variation stößt die Methode allerdings auf Grenzen. Doch hier ist sie Funke und Zündstoff für evolutionsbiologisch spannende Forschungsfragen, die jede Menge neuer Erkenntnisse erwarten lassen.
Vor allem für die Evaluierung von Schutzgebieten und für Umweltgutachten bietet die Methode wesentliche Vorteile gegenüber der gängigen Monitoring- und Evaluierungspraxis und wird in Zukunft als zusätzliches Instrument im Naturschutz unerlässlich sein. Es können Arten auch anhand von Entwicklungsstadien und Geweberesten nachgewiesen werden. Dadurch wird die Erfassung eines größeren Artenspektrums ermöglicht. Über Kot, Hautzellen und Schleim geben Organismen DNA an ihre Umwelt ab. Aus diesem Grund können auch Umweltproben (Gewässer-, Bodenproben) auf ihre Artenzusammensetzung getestet werden, ohne dass die Notwendigkeit besteht, die Organismen selbst zu beproben. Über ein solches „Metabarcoding“ von Umweltproben hat die Methode das Potenzial, mit geringen Kosten Monitoringaufgaben zu übernehmen. Berichtspflichten können dadurch mit präzisen Daten seriös unterlegt werden.
Für die Land- und Forstwirtschaft bietet DNA-Barcoding eine ganze Reihe von attraktiven Nutzungsmöglichkeiten, wie z.B. eine effektive und präzise Früherkennung von Schadorganismen, Parasiten, Krankheitserregern und invasiven Arten, die anhand von Eiern oder Larven mit klassischen Methoden meist schwer bestimmbar sind, während DNA-Barcoding eine Artbestimmung auch dieser Stadien erlaubt. Weitere Anwendungsmöglichkeiten liegen im Bereich der Saatgutkontrolle, der Beurteilung von Böden bis hin zur Gewässergüteanalyse. Auch in der Lebensmittelkontrolle, in der Zollkontrolle (illegaler Organismenhandel) und in der forensischen Spurenanalyse wird DNA-Barcoding erfolgreich eingesetzt.
Die internationale Dachinitiative (iBOL, International Barcode of Life) hat sich zum Ziel gesetzt, eine frei zugängliche Referenz-Datenbank von DNA-Barcodes aller Arten weltweit zu erstellen. iBOL legt die Standards fest und stellt die internationale Datenbank (BOLD) bereit. Weltweit laufen zahlreiche Initiativen, die zu iBOL beitragen. Einige länderübergreifende Initiativen bearbeiten einzelne Organismengruppen oder Themenfelder (z.B. GBOL 3: Dark Taxa). Darüber hinaus existieren nationale Projekte wie in Deutschland (GBOL), der Schweiz (SwissBOL), in Norwegen (NorBOL) oder Kroatien (CroBOL).
In BOLD gibt es bereits viele Daten von österreichischen Organismen. Allerdings ist die Mehrzahl der ca. 70.000 Arten, die Österreich beherbergt, noch nicht erfasst. Ziel von ABOL ist die Erstellung von DNA-Barcode-Sequenzen aller Tier-, Pflanzen- und Pilzarten Österreichs, unter Berücksichtigung der geografischen Variation. Diese sollen in einer Online-Datenbank frei zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus sieht sich ABOL als Plattform, die dazu dient, die österreichische Biodiversitätsforschung zu vernetzen und voranzutreiben.
Können wir nicht die Daten verwenden, die Deutschland, die Schweiz und andere Länder für weitverbreitete Organismen bereits erhoben haben? Nur sehr bedingt, da Österreich ein besonderer Hotspot der Biodiversität mit vielen exklusiven (endemischen) Arten und Unterarten ist. Diesen Reichtum zu schützen, setzt eine seriöse Erhebung voraus.
Landesweite DNA-Barcoding-Projekte wie ABOL liefern aktuelle Daten für alle Tier-, Pflanzen und Pilzarten einzelner Länder und ermöglichen so die Erfassung der Biodiversität. Bei weiter verbreiteten Arten fügen sich die für Österreich erhobenen ABOL-Daten in ein breites transnationales Netzwerk ein, in dem auch die geografische Variation und die innerartliche genetische Vielfalt über weitere Regionen erkennbar werden. Dies ermöglicht in der Anwendung mitunter eine präzisere Herkunftsbestimmung.
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